Mit diesem Projekt möchten wir, die Schülerinnen und Schüler der 4b im Schuljahr 2018/19, die Aufmerksamkeit auf die Geschichte des „Spezialkinderheims“ richten, das am Campus des Sacré Coeur Pressbaum während der Zeit des Nationalsozialismus bestand. Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Bedienstete des Campus, Eltern von Kindergartenkindern, Politikerinnen und Politiker sowie Bewohnerinnen und Bewohner der Region – sie alle sollen über die Geschichte des Hauses erfahren. Und viel mehr noch: Sie sollen über das Menschenbild im Nationalsozialismus erfahren, der das Leben mancher Kinder als „lebensunwert“ definiert hat.
Warum ist uns dieses Projekt wichtig? Weil wir nicht möchten, dass die Geschichte des „Spezialkinderheims“ in Vergessenheit gerät. Weil wir möchten, dass die Kinder, die hier untergebracht waren, nicht vergessen werden. Weil uns die Geschichte der Kinder berührt hat. Weil es uns als angehende Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenpädagogen betrifft, wie sich das „Bild vom Kind“ in der Geschichte entwickelt hat. Weil Hinschauen besser ist als Wegschauen.
Unser Projekt soll nicht das Ende der Gedenkarbeit am Campus Sacré Coeur Pressbaum sein, es muss vielmehr der Beginn sein, sich diesem Thema auf unterschiedliche Art und Weise zu nähern. Wir hoffen, dass die oben Angesprochenen unsere Ideen in Zukunft weiterführen und das Gedenken weiter vertiefen.Schüler/innen der 4b
"Es wird Zeit, schau nicht weg! Man vergisst nicht, man verdrängt."
ERBBIOLOGISCH UND SOZIAL MINDERWERTIG
Unmittelbar nach unserem Tag der offenen Tür machten wir uns am Abend des 22.11.2019 gemeinsam mit den vierten Klassen auf den Weg ins Akademietheater um uns das Stück „F. Zawrel – Erbbiologisch und sozial minderwertig“ anzusehen. Durch unser letztjähriges Gedenkprojekt über die Geschichte des NS-„Spezialkinderheims“ am Campus des Sacré Coeur Pressbaum hatten wir bereits einen enormen Bezug zu diesem Thema. Auch mit der Geschichte von Friedrich Zawrel waren wir bereits vertraut, da uns Herr Christian Gmeiner von erinnern.at während eines Workshops über Gedenk- und Erinnerungskultur im Zuge unseres letztjährigen Projekts schon auf ihn aufmerksam gemacht hat.
In dem Theaterstück, welches vom Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan inszeniert ist, wird, wie der Titel schon erahnen lässt, das Leben von Herrn Zawrel nachgespielt, welcher ein Überlebender des sogenannten „Kindereuthanasie“-Programms in der Zeit des Nationalsozialismus war. Nikolaus Habjan hatte in der Vorbereitung auf das Stück viel Zeit mit Friedrich Zawrel verbracht und die beiden haben sich ausgetauscht, bis Stück für Stück das Puppentheater entstand.
Die Gefühlslage, die wir SchülerInnen und auch die vielen ProfessorInnen hatten, die mit im Theater waren, lässt sich schwer in Worte fassen. Es war ein unglaublich intensiver Abend. Während des Stückes war eine ganz besondere Stimmung im Theatersaal, die sich vermutlich noch am ehesten mit den Worten „bedrückend“, „Unverständnis“, „Trauer“ aber auch „Ver- und Bewunderung“ beschreiben lässt. Es war ein wirklich emotionaler Abend, bei dem unzählige Tränen geflossen sind, aber einem auch der ein oder andere Grinser über die Lippen kam, weil man so froh war, dass Herr Zawrel diese extrem traumatischen Ereignisse so gut verarbeitete, vermutlich auch mit Hilfe seines unglaublich ansteckenden Humors. Bis zu seinem Lebensende im Februar 2015 hielt er an Schulen Vorträge über sein Leben um Aufklärungsarbeit zu leisten um etwas derartig Unmenschliches in Zukunft zu vermeiden. Auch Herr Zawrel selbst sah sich das Theaterstück ganze 17 mal an.
Bereits im Vorhinein hatte Fr. Prof. Haberleitner organisiert, dass wir ein Künstlergespräch führen dürfen. Fast alle BesucherInnen blieben nach Ende des Stückes ebenfalls länger und es wurden sehr interessante Gespräche geführt und Fragen beantwortet. Wir SchülerInnen der 5b konnten am Ende auch ein Foto mit Herrn Habjan machen, dessen Stück uns so bewegt hat.
Dieser Abend wird uns allen wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Für uns war es ein extrem trauriger aber auch würdiger Projektabschluss und für die vierten Klassen ein toller Einstieg bzw. eine tolle Auffrischung dieses unglaublich wichtigen Themas, dass auf keinen Fall in Vergessenheit geraten darf.
Beitrag: Lena Reischer, 5b
Foto: Christian Blinzer
Gedenkfeier am 4. Juni 2019
Am Dienstag, den 4. Juni 2019 fand eine Gedenkfeier zu ihrem Projekt statt, bei der die SchülerInnen der 4b der Schulgemeinschaft ihre Gedanken und Überlegungen zu dem Projekt "Es wird Zeit, schau nicht weg! Man vergisst nicht, man verdrängt." vermittelten. Auch der Pressbaumer Bürgermeister Josef Schmidl-Haberleitner, der niederösterreichische Bildungsdirektor Johann Heuras und Landtagsabgeordneter Martin Michalitsch nahmen an der Feier teil. Als Abschluss wurde gemeinsam ein Gedenkbaum auf dem Areal des Sacré Coeur Pressbaum gepflanzt.
Fotos: Lisa Baumgartner-Kunit
Mehr Fotos und einen ausführlicheren Bericht zur Veranstaltung findet ihr hier.
Pressespiegel
Workshop am 28. Jänner 2019 mit Christian Gmeiner (Bildender Künstler und Kunstvermittler)
Nach der sehr lehrreichen ersten Information und Diskussion über das „Spezialkinderheim“ Pressbaum, das in der Zeit des Nationalsozialismus, genauer zwischen 1939 und 1941, bestand, überlegte sich die 4b gemeinsam mit dem Künstler Mag. Christian Gmeiner Möglichkeiten, ein Erinnern oder Gedenken zu gestalten. Im Rahmen eines Projekttags im Jänner 2019 führte der Kunstvermittler zunächst theoretisch in das Thema Gedenkkultur und Denkmalarchitektur ein und erläuterte verschiedene Zugänge und Möglichkeiten anhand von Projekten, die er bereits umgesetzt hatte (z.B. „Zeichensetzung“, „Mobiles Erinnern“ oder „Mauthausen revisited“). Daraus entwickelte sich ein gemeinsames Sammeln und Besprechen von Ideen, welche Gestalt unser Erinnern an das „Spezialkinderheim“ annehmen könnte.
Bericht: Schüler/innen der 4b
Fotos: Christian Gmeiner
Diskussion mit Barbara Petrasch (Verfasserin der Diplomarbeit über das „Spezialkinderheim“ Pressbaum) und Bürgermeister Josef Schmidl-Haberleitner (Bürgermeister von Pressbaum) am 8. Jänner 2019
Am 8. Jänner 2019 besuchten Barbara Petrasch, die sich in ihrer Diplomarbeit der Geschichte des "Spezialkinderheims" Pressbaum in der Zeit des Nationalsozialismus widmete, und der Bürgermeister von Pressbaum, Josef Schmidl-Haberleitner, die 4b, um über den derzeitigen Wissensstand zu diesem Thema zu sprechen. Die Schüler/innen hatten sich im Fach Heil- und Sonderpädagogik der Frage nach "lebensunwertem" Leben genähert und diskutierten ihre Fragen mit Frau Petrasch und Herrn Bürgermeister Schmidl-Haberleitner. Frau Petrasch konnte durch ihr fachliches Hintergrundwissen viele Fragen der Schüler/innen beantworten, zeigte aber gleichzeitig auch die Forschungslücken auf, die es im Bereich der NS-Medizinverbrechen gibt. Herr Bürgermeister Schmidl-Haberleitner konnte den Schüler/inne/n einen Überblick über die Geschichte Pressbaums im Nationalsozialismus geben und verwies auch darauf, dass das Archiv der Stadtgemeinde gerade von einer Historikerin geordnet wird, was weitere Forschungen begünstigt. Beide bestärkten die Schüler/innen, sich ihrem Projekt weiter mit jenem Interesse zu widmen, das im Rahmen dieses Nachmittags mehr als deutlich sichtbar wurde.
Bericht: Schüler/innen der 4b
Fotos: Claudia Baldia
Hier können die Diplomarbeit von Barbara Petrasch mit dem Titel "Sozialpädagogische Maßnahmen im Nationalsozialismus am Beispiel des Kinderheims Pressbaum. Zum Einfluss der NS-Geschichte auf die heutige Soziale Arbeit" (FH Campus Wien, 2009) sowie die Arbeit von Nikson Gjergji mit dem Titel "Das "Spezialkinderheim im Sacré Coeur-Kloster in Pressbaum in den Jahren 1939-1941" (Karl-Franzens-Universität Graz, 2021) heruntergeladen werden:
Wir danken Frau Petrasch und Herrn Gjergji herzlich für die Erlaubnis, dieses Werk zum Download bereitstellen zu dürfen!
Im Juni 2022 fand erneut eine Gedenkfeier statt. Zu diesem Anlass hat Martin Kranzl-Greinecker folgende Rede gehalten. Diese können Sie hier nachlesen:
Im Rahmen der Gedenkfeier 2024 gestaltete die Schülerin Cara Peterka aus der 4b folgenden Poetry Slam:
Erbbiologisch und sozial minderwertig
(Poetry Slam von Cara Peterka)
Ein Mensch ist minderwertig.
Doch was bedeutet „minderwertig“?
Im Wert gering.
Vom Rang tief.
Von schlechter Qualität.
Billig, halbwertig, schlecht, zweitklassig.
Zwei Klassen.
Beispiele für minderwertige Gegenstände sind Waren. Lebensmittel.
Hier ein Kind?
Herta.
Ein Kind ist minderwertig. Eine minderwertige Ware.
Entschuldigen Sie, eine erbbiologisch und sozial minderwertige Nummer.
Ein Kind, ein unbeschriebenes Blatt, mit einer Zukunft, mit Träumen, mit Zielen, mit offenen Augen und Liebe.
Ja, so viel Liebe im Herzen.
Irma.
Doch hier? Hier gibt es keine Liebe.
Ein Kind kommt an einen Ort, an dem es sein Ende finden soll.
Der Spiegelgrund.
Auf diesem Grund.
Kinder-Euthanasie-Programm.
Jugendfürsorgeanstalt.
Fürsorge, Fürsorge ist etwas anderes, auf diesem Grund sind Kinder zu Tode gekommen.
Gezielte Mangelernährung, systematische Vernachlässigung, Infektionen, aber offiziell eine Lungenentzündung?
Engelbert.
Es starben Menschen.
Es starben Kinder.
Auf dem Boden, auf dem ich heute stehe.
Auf dem Sie heute stehen.
Auf dem Kinder ein- und ausgehen.
Lachen, lernen, Freundschaften schließen und einer guten Zukunft entgegengehen.
Gingen vor Jahren Kinder ihre letzten Schritte.
Angela.
Die Erde, auf der wir stehen, trägt eine schreckliche Geschichte, die nie vergessen werden darf.
Nichts zu wissen und zu leugnen, was geschehen ist, ist ein genauso großes Verbrechen wie das, das die Ärzte und das medizinische Personal, das die Kinder missbraucht, gequält und ermordet hat, vor vielen Jahren verbrochen hat.
Joseph.
Auf dem Boden, auf dem ich heute stehe, starben 12 Kinder.
Felix.
108 Kinder litten.
An Angst.
An Hunger.
An Schmerzen, Erniedrigung, sie wurden beschimpft.
Sie wurden psychisch gebrochen.
Sie brachen wie die Risse dieses alten Hauses.
Die Wände tragen die Geschichte.
Sie schreien förmlich.
Aber hören Sie hin?