Am Montag, den 7.10.2019 traf sich um 9 Uhr das 3K im Rahmen des Pädagogikunterrichts in Wien, um den Narrenturm zu besichtigen, seine Geschichte kennenzulernen und die Studiensammlung anzuschauen.
Den Beginn des Ausflugs gestaltete der Führer, ein Medizinstudent der Uni Wien, mit der Geschichte zum Narrenturm. Das Gebäude wurde 1784 im Auftrag von Kaiser Joseph II. durch den planenden Architekten Josef Gerl errichtet und sollte die erste psychiatrische Klinik Kontinentaleuropas werden. Heute ist der fünfstöckige Rundbau das Pathologisch-anatomische Bundesmuseum, welches 2012 in das Naturhistorische Museum Wien eingegliedert wurde. Für die sogenannten Insassen wurden 139 Einzelzellen eingerichtet. Jede dieser Zellen umfasst in etwa 13 Quadratmeter und ist vom runden Gang aus zu betreten. Es wurde damals zwischen Krankheitsformen wie Melancholie, Tollheit und Unsinnigkeit unterschieden, wobei die Ärzte ihre Heilungsversuche auf die „Säftelehre“ des Körpers stützten. Man meinte daher mittels Aderlass, Brechmitteln etc. die „Säfte“ im Körper wieder in Balance zu rücken. Zu Beginn gab es in den Zellen keine Türen, sodass sich friedliche Patienten frei im Turm bewegen konnten. Patienten, die entweder ansteckende Krankheiten hatten oder unbändig waren, wurden angekettet. Um die Insassen vor der schaulustigen Bevölkerung zu schützen, hat man eine Mauer um die Einrichtung gebaut. Der Medizinstudent erzählte, dass 1852 eine neue Anstalt am Bründfeld eröffnet wurde und dass im Narrenturm nur noch die unheilbarsten Fälle aufgenommen wurden. Aus verschiedenen Gründen (Gestank wegen rechtem Winkel im Abwassersystem, unzulängliche Heiztechnik etc.) wurde die Anstalt dann letztlich ganz geschlossen und stand bis 1920 leer, als sich ein Wohnheim für Krankenschwestern darin etablierte.
Der Medizinstudent führte die Klasse durch die unterschiedlichsten Räume des Narrenturms, in dem die weltweit größte pathologisch-anatomische Sammlung beheimatet ist. Neben Feucht- und Trockenpräparaten befinden sich im Narrenturm Moulagensammlungen, d.h. getreue Abbildungen kranker Körperstellen aus Wachs oder Paraffin. Bei den Feuchtpräparaten handelt es sich beispielsweise um zahlreiche Lungen, die von verschiedenen Krankheiten wie Syphilis befallen waren. Der Student führte uns auch eine Lunge vor, in der man eine Kaffeebohne sehen konnte. Diese löste zwar keine Erstickung aus, doch führte sie zur tödlichen Entzündung Wochen nach dem Inhalieren. Unter den Trockenpräparaten befanden sich in erster Linie Schädel, von denen einige tödliche Wunden und andere Krankheitserscheinungen wie Krebs oder Syphilis trugen. Die Wachspräparate waren in großer Zahl vorhanden und zeigten naturgetreu das Aussehen damaliger Krankheiten. Der Medizinstudent führte die 3K im Anschluss zu einer Sammlung von Geräten, die für Operationen angewandt wurden. Hier durfte man der Phantasie freien Lauf lassen… Etwa 1-3 Minuten brauchte ein Arzt im Durchschnitt für Amputationen.
Zuletzt nannte uns der Medizinstudent eine plausible Annahme, weshalb der Narrenturm rund gebaut worden sei: Dies erinnere an den Mond, dem man eine besondere, esoterische Bedeutung zusprach. Weitere Elemente der Konstruktion, vor allem die Zahlensymbolik, weisen auf diese Erklärung hin: Der Rundbau hat beispielsweise einen Umfang von 66 Wiener Klaftern, wobei diese Zahl zugleich die des Mondmonats ist. Im Anschluss bedankte sich der Student und verabschiedete sich von uns. Die Führung endete damit um 11 Uhr vormittags.
Bericht: A. Schirmer, Fotos: K. Schierhuber