Der Fall Woyzeck – Literaturunterricht in der 4b

 

Die Klasse 4b setzte sich im Rahmen des Deutschunterrichtes mit Büchners „Woyzeck“ auseinander. Der Mord, den der Hauptprotagonist verübt, wurde zum Anlass genommen, Plädoyers zu verfassen sowie vorzutragen. Die Schülerinnen versuchten, den Tatbestand zu erläutern und die Schuldfrage zu klären (in der Rolle der Staatsanwaltschaft oder des Verteidigers).

Sabrina Dollhopf hat mit juristischer Unterstützung ein besonders gelungenes und lesenswertes Plädoyer aus der Sicht der Staatsanwaltschaft verfasst!

Hohes Gericht, werter Herr Verteidiger!

Die Staatsanwaltschaft hält aufgrund der in der heutigen Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme den in der Anklageschrift niedergelegten Sachverhalt für erwiesen.

Herr Franz Woyzeck hat seine Geliebte, Marie Zickwolf, vorsätzlich mit einem Messer getötet. Er hat dies aber nicht getan, als er seine Geliebte mit einem anderen Mann, dem Tambourmajor, zusammen im Wirtshaus entdeckt hat. In diesem Fall hätte man von einer Affekttat und daher von einem Totschlag im Sinne des § 76 StGB ausgehen können. In unserem Fall aber hat er die Tat eiskalt geplant. Er hat sich erst am nächsten Tag ein Messer besorgt und sie dann am Abend zu einem Spaziergang überredet, wobei er das Messer in seiner Tasche versteckt hielt. Das Opfer hat den Angeklagten bei diesem Spaziergang nicht provoziert und daher auch keinen neuerlichen Affekt ausgelöst. Da es sich also nicht um eine Affekttat, sondern um eine geplante Tat handelt, ist seine Schuld nicht gemindert. Es handelt sich deshalb nicht um einen Totschlag im Sinne des § 76 StGB, sondern um einen Mord im Sinne des § 75 StGB.

Laut ärztlichen Berichten lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass er wegen seines Gesundheitszustandes, nämlich seiner manchmal auftretenden Halluzinationen, zum Tatzeitpunkt unfähig war, das Unrecht seiner Tat zu erkennen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Herr Franz Woyzeck war daher zur Zeit der Tat zurechnungsfähig im Sinne des § 11 StGB und hat deshalb auch schuldhaft gehandelt.

Es liegt freilich aufgrund seiner bisherigen Unbescholtenheit der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB vor. Der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 8 StGB kommt ihm aber nicht zugute, weil seine Tat nicht annähernd eine Affekttat war. Überdies liegt der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 6 StGB vor, weil der Angeklagte auf sein Opfer mehrmals eingestochen hat und daher grausam gehandelt hat. Des Weiteren ist Mord eine strafbare Handlung nach dem ersten Abschnitt des Besonderen Teils unseres StGB, weshalb auch die Erschwerungsgründe des § 33 Abs 3 StGB zu beachten sind. Die Z 1 ist freilich nicht erfüllt, weil der Angeklagte nicht mit seinem Opfer zusammengewohnt hat und er daher nicht Lebensgefährte im Sinne des § 72 Abs 2 StGB war. Die Z 3 ist aber erfüllt, weil er mehrmals heftig auf sie eingestochen hat. Außerdem liegt der Erschwerungsgrund der Z 4 vor, weil ein Messer eine Waffe ist. Man sieht also, dass der Milderungsgrund die Erschwerungsgründe nicht überwiegt, weshalb keine außerordentliche Strafmilderung nach § 41 Abs 1 StGB möglich ist.

Ich beantrage daher, den Angeklagten wegen Mordes im Sinne des § 75 StGB zu einer 20-jährigen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Diese Strafe ist wegen der beantragten Strafhöhe und, weil der Milderungsgrund die Erschwerungsgründe nicht überwiegt, gemäß den §§ 41 Abs 3, 43 Abs 1 und 43a Abs 4 StGB nicht bedingt nachzusehen.

Abschließend muss gesagt werden, dass grundsätzlich der schuldige Angeklagte gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens zu verpflichten ist. Da der Angeklagte allerdings erwiesenermaßen überhaupt kein Vermögen besitzt, beantrage ich die Kosten gemäß § 391 Abs 2 StPO für uneinbringlich zu erklären.

Bericht: Sabrina Dollhopf, Karin Schierhuber