Es war einmal – die 4. Kollegklassen schreiben Märchen

Im Deutschunterricht erhielten 4KA und 4KB denselben Arbeitsauftrag: „Schreiben Sie zu der vorgegebenen Einleitung ein Märchen mit allen klassischen Merkmalen!“ Herausgekommen sind wirklich wunderschöne, kreative und vielfältige Texte, die man gerne lesen und erzählen möchte! Einer davon wird hier exemplarisch vorgestellt.

Alexandra Loibl

Der Dümmling

Vor langen Jahren lebte ein Vater, der hatte drei Söhne. Die beiden älteren waren fleißig und halfen ihm bei der Arbeit, so gut sie konnten. Der jüngste aber konnte es keinem recht machen. So sehr er sich bemühte, immer fanden die anderen etwas an ihm auszusetzen.

Als der Vater alt wurde, wollte er die Wirtschaft unter seine Söhne aufteilen, aber keinem konnte er es recht machen. Der eine wollte dies, der andere wollte das und der dritte wurde gar nicht erst gefragt. „Ich werde euch schon kriegen!” sagte der Vater. „Wer mir die schönste und reichste Braut bringt, bekommt die ganze Wirtschaft und die anderen erhalten nichts.”

Die beiden Älteren galoppierten auf den schnellsten, schönsten Hengsten los, dem Jüngsten blieb nur ein Esel als Gefährte und Begleiter. Als die älteren zwei Brüder am Horizont verschwanden, stieg der Jüngste seufzend auf den Esel.

“Junger Mann,” sagte der Esel, „warum zweifelst du so? Der Tag ist noch lang, wir haben reichlich Zeit.” „Aber nein,” sagte der jüngste Bruder. „Verstehst du nicht? Meine Brüder sind stark, schnell und klug. Ich bin nur ein Dümmling auf einem Esel.” Der Esel trottete gemütlich los. „Gewiss, der schnellste bin ich nicht. Aber wer kann am Morgen schon wissen, was der Abend mit sich bringt?”

Bald erreichten sie einen Teich, da hörten sie elendes Wimmern. Ein Kätzchen klammerte sich an einen Holzstamm, mitten im Teich. Die Katzenmutter weinte am Ufer. „Helft uns bitte,” flehte sie. „Ich habe nur dieses eine Kätzchen, und das liebe ich sehr!”

Der junge Mann überlegte nicht lange und sprang in den Teich, um das Kätzchen zu retten. Wieder mit ihrem Kätzchen vereint, sprach die Katzenmutter: „Lieber, gütiger Mann, Reichtum und Glück sollen Dein sein! Schenken kann ich nichts, aber warnen kann ich: wenn du hier rechts weiterreitest, gelangst du an den Teerfluss. Reitest du links, dann wirst du verschont bleiben.”

So ritten sie weiter, rein in den dichten, dunklen Wald. Da sahen sie von weitem ein rotes Füchslein, dessen Bein in einer Jägerfalle eingeklemmt war. “Kommt nicht näher!“, rief das Tier. „Der Wald ist voll mit Jägerfallen. Ihr werdet so enden wie ich!” “Ich kann kein Tier leiden lassen,” sagte der Jüngling und stieg vom Esel ab. „Du bleibst hier, treuer Esel. Für meine Torheit darfst du dein Leben nicht riskieren.” Das Füchslein hatte Recht, es gab viele Fallen im Unterholz. Der Jüngste aber schaffte es unversehrt und befreite das arme Tierlein von seinem Leid. „Lieber, gütiger Mann,” sagte es, „Reichtum und Glück sollen Dein sein! Schenken kann ich nichts, aber warnen kann ich: wenn du den Wald durchquert hast, kommst du zu einer Brücke aus Stein. Diese Brücke darfst du nicht überqueren, denn darunter wohnt der listige Wolf, und er wird dich und deinen Esel mit Haut und Haare auffressen. Gehe durch den Tunnel!”

 

Der junge Mann ritt weiter. Die Sonne hing schon tief am Himmel. „Es ist zwecklos,” sagte er. „Auch wenn ich die schönste, reichste Frau finden sollte, einen Dümmling, wie ich es bin, wird sie nicht heiraten.” „Gewiss, der Klügste bist du nicht,” sagte der Esel. „Aber wer kann am Morgen schon wissen, was der Abend mit sich bringt?”

Nachdem sie durch den Tunnel geritten waren, erreichten sie ein Dorf. Hier hielten sie an, um zu rasten, doch bevor sie wieder losreiten konnten, sahen sie ein Fräulein, das am Brunnen leise weinte. „Warum weint Ihr so?” fragte der junge Mann. „Ich war auf einer langen Reise mit meiner Familie. Mein Pferd hat sich verletzt, und wir fielen zurück. Jetzt bin ich verloren und weiß nicht, wohin.” “Kommt nur mit, Fräulein, und seid nicht länger traurig“,  meinte der Dümmling. „Mein treuer Esel bringt uns zu mir nach Hause. Da schicken wir Boten aus, die eure Familie auffindet.”

Der Esel aber sagte, während die beiden auf seinen Rücken stiegen: „Wenn du jetzt nachhause gehst, wirst du deinen Vater erneut enttäuschen. Du bekommst nichts, und endest dumm und arm dazu.” “Ich wusste schon als wir losgingen, dass ich keine Chance habe“, war die Antwort. „Trabe los, dem Fräulein muss geholfen werden.”

Als er zu seinem Vater kam, fand er ihn traurig und verzweifelt vor. Der älteste Bruder war im Teerfluss ertrunken, der andere wurde vom Wolf mit Haut und Haaren gefressen. „Und nun soll meine Wirtschaft an einen Dümmling weitergegeben werden,” klagte der Vater. Das Fräulein aber sprach: „Reichtum und Glück sollen dein sein. Denn ich bin die reichste und schönste Frau im Land und eine Prinzessin dazu! Wenn du meine Familie findest, werde ich deinen Sohn heiraten. Nur zwei Dinge verlange ich: der treue Esel soll den schönsten Stall und das beste Heu bekommen und dein Sohn soll nie wieder ‚Dümmling‘ heißen, so lange er lebt.”

So geschah es, und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.

Dawn Schönherz-Rigoni, 4KB